Das Hessische Sozialministerium förderte von 2019 bis 2023 über 60 Menschen aus 15 Nationen im Programm „Jugendhilfe integriert“ – einem Kooperationsprojekt des Landkreises Kassel, der Fachschule für Sozialpädagogik des CVJM Deutschland und weiteren Projektpartnern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, junge Menschen mit Migrationsgeschichte in ihrer Ausbildung zur pädagogischen Fachkraft zu begleiten. Mit insgesamt 1,2 Millionen Euro konnten die Projektpartner über die Laufzeit von fünf Jahren einen Beitrag zur Qualifikation von Fachkräften für soziale Berufe leisten.
Evaluations- und Wirkungsbericht vorgestellt
„Für uns war von Anfang an klar, dass wir die Wirksamkeit der unterschiedlichen Bildungsbausteine im Projekt evaluieren wollen, um für zukünftige Projekte noch bessere Lösungen zu entwickeln“, berichtet Prof. Dr. Germo Zimmermann (CVJM-Hochschule), der den Bericht nach drei Jahren Forschungszeit Ende Februar dem Landrat Andreas Siebert (SPD) und der Leiterin des Fachbereichs Jugend Sabine Scherer aus dem Landkreis Kassel überreichte. Die Jugendamtsleiterin wertet es positiv, dass bereits elf neue Erzieherinnen und Erzieher mithilfe des Projektes für die Arbeit in Stadt und Landkreis Kassel gewonnen werden konnten. Auch Landrat Andreas Siebert betont, dass „Jugendhilfe integriert“ dazu beiträgt, dem Fachkräftemangel zu begegnen und jungen Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund den Weg in das deutsche Bildungssystem bzw. in die Arbeitswelt zu eröffnen.
Vier Bildungsbausteine gegen den Fachkräftemangel
Das Projekt „Jugendhilfe integriert“ begleitet junge Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund in einem ganzheitlichen, sozialpädagogisch reflektierten Lern- und Erfahrungskontext und unterstützt sie beim Erwerb von Qualifikationen für erzieherische Berufe in der Kinder- und Jugendhilfe. Dazu werden vier ineinandergreifende Bausteine als Förderkette bereitgestellt, die – anknüpfend an den individuellen Stärken und Fähigkeiten – flexibel ausgestaltet werden können: das pädagogische Vorpraktikum oder ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bzw. der Bundesfreiwilligendienst (BFD), die Ausbildung zum Erziehenden, die Weiterbildung zum Intercultural Coach und das Berufsanerkennungsjahr. Anthea Roth, Hauptansprechpartnerin für „Jugendhilfe integriert“ beschreibt: „Jedes Modul ist darauf ausgelegt, dass die Teilnehmenden einerseits durch die Mitarbeitenden im Projekt begleitet werden, andererseits aber auch untereinander Begleitende sind.“
Die Ziele von „Jugendhilfe Integriert“ waren die Erprobung neuer, kreativer und bisher nicht etablierter Wege der Ansprache und Gewinnung von jungen Menschen für die Qualifizierung und Ausbildung. Das Projekt zielte darauf ab, die Stärken und Fähigkeiten der jungen Menschen und deren interkultureller Biografien als Chance zu nutzen. „Es ist eine große Chance für alle Studierenden, in einer multikulturellen Atmosphäre zu lernen, zu studieren und zu leben“ resümiert daher Samuel G. Mwangi, der selbst Teilnehmer und später Mitarbeiter in dem Projekt war. Außerdem war die Professionalisierung und Vernetzung der bestehenden Ausbildung mit dem Fachbereich Jugend im Landkreis Kassel, um nachhaltig Fachkräfte in Nordhessen zu binden, ein bedeutendes Ziel.
„Jugendhilfe integriert“: ein wirkungsvolles Programm
Der Evaluations- und Wirkungsbericht dokumentiert die wissenschaftliche Begleitstudie des Projekts. Erforscht wurde das Projekt von Sina Müller und Miriam Kimpel, zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen der CVJM-Hochschule in Kassel. Der Bericht zeigt, dass die Teilnehmenden des Programms nicht nur zufrieden waren mit den verschiedenen Bildungsbausteinen, sondern auch entscheidende Kompetenzen und Qualifikationen erwerben konnten.
Der Bericht beschreibt die positive und individuelle Wirkung der unterschiedlichen Bildungsbausteine auf die Teilnehmenden. So sagt eine Teilnehmerin über ihre Ausbildungszeit: „Die Ausbildung an der CVJM-Akademie hat mein Leben verändert. Seit ich diese Ausbildung angefangen habe, habe ich viel gelernt, was ich vorher noch nicht wusste, und dadurch hat sich meine Persönlichkeit entwickelt“. Eine andere Person berichtet: „Die Weiterbildung zum International Coach hat mich sehr bereichert. Die würde ich jedem empfehlen, der Lust hat, sich mit sich selbst und anderen auseinanderzusetzen“.
Zudem konnten durch die Evaluation von „Jugendhilfe integriert“ fördernde und hemmende Faktoren bei dem Erwerb der sozialpädagogischen Qualifikation für junge Menschen mit Flucht- und/oder Migrationshintergrund analysiert werden. Neben den Allgemeinen Strukturen von „Jugendhilfe integriert“ berichten die Befragten, dass die Möglichkeit, sich in den verschiedenen Bausteinen zu beteiligen und das Erleben von interkulturellen Gemeinschaften, z. B. in Wohngemeinschaften, zu höherer sozialer Integration geführt haben. Zudem stellen die eigene Religion und auch die Unterstützung durch andere einen fördernden Faktor für die Studierenden dar. Gerade durch kulturelle Unterschiede und die Finanzierung der Ausbildung und der Lebenshaltungskosten waren die Befragten herausgefordert. Durch die finanzielle Unterstützung des Projektes und das Reflektieren von Kulturunterschieden innerhalb der Weiterbildung zum „Intercultural Coach“ konnte diesen Herausforderungen jedoch begegnet werden. Aber auch sprachliche Hürden und fehlende Kenntnisse über das Bildungssystem stellen hemmende Faktoren bei der Integration von Menschen mit Flucht- und/oder Migrationshintergrund dar. Auch hier konnte durch „Jugendhilfe integriert“ Hilfe angeboten werden: Dank der Interaktion mit Anderen, aber auch durch Deutschunterricht konnten sprachliche Kompetenzen gefördert werden. Eine Befragte resümiert „Ja, das Bildungssystem ist bei uns anders“. Es konnten weitere Kenntnisse über das deutsche Bildungssystem erworben werden, so dass die Befragten dieses weniger als Hürde, sondern als Chance wahrnehmen. Zudem ist die Zukunftsperspektive der Teilnehmenden von „Jugendhilfe integriert“ als fördernder Faktor zu nennen. Die Befragten sind davon überzeugt, dass die Ausbildung ihnen Türen für die Berufswelt öffnet und ihnen einen breiten Werkzeugkasten mit auf den Weg gibt. Formal gesehen haben alle Befragten am Ende ihrer Ausbildung einen Abschluss, der sie für den deutschen Arbeitsmarkt qualifiziert.
Unterstützt von starken Partnern
Gemeinsam mit verlässlichen Kooperationspartnern konnten junge Menschen auf dem Weg zur staatlichen Anerkennung als Erzieherinnen und Erzieher begleitet und gefördert werden. Dieses dichte Kooperationsnetzwerk – so zeigen es die Ergebnisse des Evaluationsberichts – ist mitunter dafür verantwortlich, dass eine Bildungskette (von der Akquise bis zum Abschluss bzw. Arbeitsplatz) gewährleistet werden kann. An der Kooperation maßgeblich beteiligt waren der Fachbereich Jugend („Jugendamt“) im Landkreis Kassel, die Stiftung Himmelsfels (Spangenberg), die Diakonie Hessen (Frankfurt), die Arbeitsgemeinschaft der CVJM in Deutschland e. V. (Kassel) und die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck.
Der Bericht kann unter diesem Link eingesehen werden: Jugendhilfe-integriert (Öffnet in einem neuen Tab)