„Land in Sicht“-Stipendien 2022

Hessischer Literaturrat e.V. richtet erneut Autor*innenresidenzen im ländlichen Raum aus: Vergabe von drei „Land in Sicht“-Stipendien 2022

Seit 2017 setzt der Hessische Literaturrat e.V. mit Unterstützung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (HMWK) das Stipendienprogramm "Land in Sicht: Autor*innenresidenzen im ländlichen Raum" um. Zu den bisherigen Stipendienträger*innen zählen u.a. Katja Bohnet, Safiye Can, Vito von Eichborn, Manon Hopf, Felix Römer und Jan Wilm. 2022 werden die "Land in Sicht"-Stipendien in Bebra in Kooperation mit der Stiftung Adam von Trott, Imshausen e.V., in Greifenstein in Kooperation mit dem Verein Zukunftsdorf Waldhof und in Wolfhagen in Kooperation mit dem Landkreis Kassel umgesetzt. Für zwei Monate besteht die Möglichkeit, vor Ort zu leben, zu schreiben und mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt zu treten.

Adrian Pourviseh wird als "Land in Sicht"-Stipendiat von September bis Oktober in Bebra an seiner ersten Graphic Novel (erscheint im Avant Verlag) schreiben. Seit 2019 engagiert er sich an Bord des Seenotrettungsschiffs Sea-Watch 3. Seine dabei gemachten Erfahrungen will er in seiner Graphic Novel festhalten. Pourviseh ist glücklich über das Stipendium: "Es ist mir eine große Ehre, in dem Domizil des Widerstandskämpfers Adam von Trott leben und arbeiten zu dürfen. Die Werte dieses Antifaschisten inspirieren und bestärken mich, Ungerechtigkeiten anzuprangern. In meiner künstlerischen Arbeit befasse ich mich mit den Folgen der europäischen Abschottungspolitik. Ich erzähle in meinem Buch von der außerordentlichen Hässlichkeit des Überlebenskampfes auf dem Mittelmeer."
Auch Sarah Reinke, Geschäftsführerin der Stiftung Adam von Trott Imshausen e.V., ist gespannt auf die Zusammenarbeit: "Wir freuen uns sehr auf Adrian Pourviseh. Seine Bewerbung hat uns sofort überzeugt, denn seine Themen, Menschenwürde, Grenzen, Politik, persönliches Engagement und Widerstand passen zu unserer Arbeit. Wir möchten alles dafür tun, dass unser Ort und auch der Namensgeber unserer Stiftung für Adrian Pourviseh Quelle von Bestärkung und Ermutigung für seine wichtige Arbeit sein können."

Greifenstein begrüßt von September bis Oktober die Autorin Petra Kappler. Kappler kommt selbst aus dem Literaturbetrieb. 2023 erscheint ihr Buch zum Thema Struktureller Sexismus im Leykam Verlag. Am Zukunftsdorf Waldhof interessiert sie vor allem der Kollektivgedanke, der hinter dem Projekt steht und den sie auch auf ihr Schreiben vor Ort übertragen will. So soll ein partizipatives Projekt, an dem sich alle beteiligen können, entstehen, wie die Autorin erklärt: "Ich freue mich außerordentlich, mit der Gemeinschaft im Waldhof kooperativ einen Text zu entwickeln, der ein literarisches – und somit kollektives Archiv – der Erinnerungen aufbaut. Gleich einem Palimpsest, das sich durch Abtragen von Schichten und Neuauftrag stetig verändert und die Erinnerung, die Geschichte neu schreibt."

In Wolfhagen ist die diesjährige hr2-Literaturpreisträgerin Lina Thiede von Oktober bis November zu Gast. Thiede, die bereits mehrfach mit dem Preis des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen sowie dem OVAG-Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, veröffentlichte 2017 "Verbanntes Herz" (ueberreuter-Verlag). 2020 folgte ihr Roman "Homo Femininus". Vor Ort möchte sie sich mit den Themen Generationenkonflikte und Wissensweitergabe auseinandersetzen. Thiede äußert sich begeistert über die Stipendienzusage: "Ich freue mich wirklich sehr, Oktober und November in Wolfhagen verbringen zu dürfen. Dass ich darüber hinaus meine Oma mitbringen kann, um die Beziehung zwischen zwei Generationen, die meine Texte derzeit behandeln, auch vor Ort hautnah zu erleben, ist eine wunderbare Sache. So wird es sich gut schreiben lassen!" Harald Kühlborn, Kulturbeauftragter des Landkreises Kassel, drückt ebenfalls seine Zufriedenheit über die Entscheidung aus: "Die Autorenresidenz ist eine kulturelle Bereicherung für Wolfhagen und den Landkreis Kassel, entsprechend groß ist die Freude bei allen Beteiligten über die Zusage von Lina Thiede. Der Stipendienort Wolfhagen bietet ein inspirierendes Umfeld und eine lebendige, gut vernetzte Kulturszene. Umgekehrt kann das Wirken von Lina Thiede auch Anstoß sein für frische Ideen vor Ort."